Start-Dosierplan Tag 4

Dein Aquarium zeigt Dir, dass es lebt:
erste Mikroalgenbeläge und Wassertrübungen

Was Du heute am vierten Tag zu erledigen hast


Heute steht die zweite Dosierung von nutri-NP/complete entsprechend des START-Dosierplans an. Sonst wird der Tag für Dich entspannt und bietet Dir Gelegenheit, Dich in Ruhe auf die nächsten Entwicklungen im Aquarium gedanklich vorzubereiten. Daher sprechen wir heute über die ersten Mikroalgenbeläge auf Deinen Gestaltungsoberflächen, über Wassertrübungen, die in Deinem neuen Becken möglich sein können, sowie die praktische Durchführung der Scheibenreinigung in der Startphase und im langfristigen Betrieb.

Wenn Du Dich am Vortag mit den Wassertests noch schwer getan hast, kannst Du gerne die Messungen wiederholen, um den Umgang mit Deinen Tests zu üben und weiter zu routinieren.

Allgemeine Beckenkontrolle, zweite START-Dosierung und wir begeben uns auf einen Exkurs in die Thematik Mikroalgenbeläge und Wassertrübungen.


Nach der gestrigen nutri-NP/complete Initial-Dosierung folgt heute die zweite Dosis, die mit 1,5 mL pro 100 L bereits etwas geringer ausfällt. Es ist durchaus möglich, dass Dein Abschäumer mittlerweile einen festeren Schaum produziert. Ein Lebengestein-Riffaquarium wird von Beginn an durch die Rücklösung von totem organischen Material eine andere und v.a. schnellere Wirkung auf das Abschäumergebnis haben, als ein künstlich dekoriertes Aquarium, das so gut wie keine abschäumbaren Substanzen erzeugt. Dadurch ist die Entwicklung der Abschäumleistung in der ersten Zeit sehr individuell.

Es ist bereits heute schon möglich, dass erste Mikroalgen auf den Scheiben, dem Boden und der Gestaltung sichtbar werden. Auch das ist sehr individuell und beginnt mit Lebendgestein schneller als mit künstlichen Materialien. Rechne also gerne ab heute und in den nächsten Tagen damit, dass sich Mikroalgen entwickeln werden. Typische braune Kieselalgen, ggf. auch grüne Mikroalgen oder rote Cyanobakterien, gehören zur Entwicklung dazu und sind kein Zeichen für eine Problematik, sondern stellen die natürliche Entwicklung einer Organismengemeinschaft dar, die ökologisch immer mit Pionierarten wie Kieselalgen, Mikro-Grünalgen und Cyanobakterien startet und über die wir heute ausführlich sprechen werden.

Erste Mikroalgenbeläge und Wassertrübungen: Mögliche Ursachen, korrekte Beurteilung und Verfahrensweisen

Mikroalgenbeläge: die sind doch nicht normal, oder?

Doch, das sind sie! Und es ist gut, dass Dein Aquarium Dir zeigt, dass es lebt und langsam beginnt, sich ökologisch zu entwickeln. Die meisten Algen sind für Aquarianer genau wie für Teichaquarianer seit jeher eine Plage. Insbesondere vor Mikroalgen und Cyanobakterien haben viele Meerwasseraquarianer eine tief gehende, oftmals aber auch völlig unbegründete Angst, hauptsächlich davor, dass sie einer vermeintlichen Plage nachher nicht mehr Herr werden. Grund genug, um schon heute an dieser Stelle darüber zu sprechen und Dir Deine Ängste zu nehmen.

Ganz typischerweise begegnen wir in der Startphase von Riffaquarien den braunen mattenbildenden Kieselalgen („Diatomeen“) als Erstbesiedler von frischem Bodengrund und Gestaltungsmaterial. Bekanntlich sind Kieselalgen auf Silizium (chemisches Symbol Si) angewiesen, das im Meerwasser hauptsächlich in Form von Silikat vorliegt. Daraus bauen sie eine für sie charakteristische Zellwand auf. Für Kieselalgen ist Kieselsäure (Silikat) also ein essentieller Baustoff, d.h., wenn mit der Zeit der Gehalt an Kieselsäure sinkt, verschwinden auch die Kieselalgen von alleine.

Kieselalgen sind im Meerwasseraquarium keine aggressiven Milieuveränderer wie manch andere Algen, d.h., sie sind keine ökologischen Aggressoren, die sich negativ auf die Entwicklung und den Gesundheitszustand des Beckens auswirken. Sie sind für uns v.a. nur ein optisches Problem, wenn sie lang anhaltend zu stark wachsen und den Bodengrund und die Gestaltung großflächig überziehen. Vielmehr sind Kieselalgen eine ökologisch sehr wichtige Nahrungsgrundlage und spielen eine große Rolle in der Entwicklung komplexer Nahrungsnetze, weil sich viele Kleinstorganismen (z.B. Copepoden) von ihnen ernähren. Wenn also erste Mikroalgenbeläge auftauchen, ist das ein positives Zeichen, weil du jetzt davon ausgehen darfst, dass sich dein Aquarium in seiner Organismenvielfalt weiter entwickelt. Selbst wenn dein Aquarium in den nächsten Tagen und Wochen stark mit Kieselalgen bewachsen wird, ist das kein Problem. In den ersten Laboranalysen (ICP-OES), spätestens nach Abschluss des START-Dosierplans, wird Silizium von jedem Anbieter gemessen. Du wirst also sehen, ob dein Meerwasser einen zu hohen Silikatgehalt aufweist und solltest spätestens dann überprüfen, ob das Silikat aus deinem Leitungswasser stammt (Silikatmessung direkt im Leitungswasser vor der Wasseraufbereitung), oder ggf. nur eine Rücklösung aus der neuen Gestaltung ist.

Silikat wird mit dem ersten Ausgangswasser/Meersalz und oft auch mit dem frischen Gestaltungsmaterial ins Meerwasser eingebracht. Bei einer ausreichend guten Wasseraufbereitung mit Osmoseanlage und nachgeschaltetem Ionenaustauscher (Silikat ist ein Anion und wird daher nur von einem Anionenaustauscher gebunden) wird aber der Silikatgehalt mit der Zeit sinken und die Kieselalgen werden von alleine verschwinden. Aktiv musst du also im Becken nichts tun, um Silikat zu binden oder Kieselalgen zu entfernen. Vor allem solltest Du nicht mit einem „Silikatbinder“ arbeiten, weil diese oft auch dominant Phosphat ziehen, was die Etablierung eines ausgeglichenen Nährstoffhaushalts im jungen Aquariensystem kritisch gefährden kann. Bewerte also Silikat und Kieselalgen in der Startphase absolut gelassen und optimiere bei Bedarf (hohe Silkatausgangsbelastung) die Ausgangswasseraufbereitung, aber versuche nicht, Silikat aus deinem Aquariumwasser aktiv zu entfernen. Damit kannst du die Entwicklung deines Riffaquariums massiv stören.

Was ebenfalls in frischen Riffaquarien häufig auftaucht sind Zooxanthellen (also Dinoflagellaten), die von Korallen aufgrund der für sie bestehenden Milieuänderung oft rasch innerhalb der ersten Tage nach dem einsetzen ausgestoßen werden. Veränderungen in der Lichtumgebung, ein niedriger Nährstoffgehalt und v.a. auch der Stress nach Transport und Zwischenhälterung führt fast automatisch dazu, dass manche Korallen aus dem Erstbesatz einen Teil ihrer Zooxanthellen im gerade gestarteten Riffaquarium auswerfen. Wenn Du also Dinoflagellaten in Deinem jungen Aquarium diagnostizierst (mikroskopische Untersuchung), beachte bitte, dass dies in der Regel nur ausgestoßene Zooxanthellen sind. In den SANGOKAI Empfehlungen A-Z (SEA-Z) stehen Dir weitere Informationen zum Stichwort Dinoflagellaten zur Verfügung. Auch hier solltest Du auf keinen Fall in Panik verfallen! Es ist ein typischer Zustand in der Startphase von Riffaquarien, die entweder mit Lebendgestein gestartet wurden, oder schon zum jetzigen Zeitpunkt erste Korallen beherbergen,  z.B. wegen eines Beckenumbaus oder Beckenumzugs,  wenn die Korallen also sofort wieder eingesetzt wurden. Behalte Dir also für die nächste Zeit im Kopf, wenn Du Dein Aquarium mit Korallen sukzessive besetzt, dass die Korallen immer wieder einmal Zooxanthellen ausstoßen können und sich die nun freigesetzten Dinoflagellaten außerhalb ihres Wirtes auf Deiner Gestaltung und dem Boden ablagern und hier eine ganze Weile überleben können.

Wichtig und vorrangig beim Thema Dinoflagellaten ist immer die Beleuchtung. Wenn Du in Deinem jungen Aquariensystem mit einer aggressiven Lichtumgebung arbeitest (vgl. dazu wie gesagt die SEA-Z zum Stichwort Dinoflagellaten), dann erzeugst du potentiell kritischen Strahlungsstress in den Korallen und forcierst das Ausstoßen von Zooxanthellen, also das Auftreten von Dinoflagellaten. Eine gesunde und sinnvolle Lichtumgebung ist vor allem für den Beckenstart und in jungen Aquariensystemen sehr wichtig, um die Strahlungsenergie möglichst vollwertig in Photosynthese und Korallenwachstum umsetzen zu können, spielt aber natürlich in jedem Aquarium auch langfristig eine große Rolle, v.a. in akuten Problemsituationen, wenn es darum geht, Korallen vor sekundären Schäden durch akuten Strahlungsstress zu schützen. Im folgenden YouTube Video erläutere ich Dir wichtiges Hintergrundwissen zu dieser Thematik und erkläre Dir die Wichtigkeit einer gesunden und moderaten Lichteinstellung vor allem auch für den Beckenstart.

Wassertrübungen: Ursachen und mögliche Vorgehensweisen.

Wassertrübungen können in der Startphase unterschiedlicher Natur sein: entweder anorganisch-mineralisch, z.B. durch Erstabrieb von neuem Gestaltungsmaterial, sowie durch feinste Kalkausfällungen in frisch angesetztem Meerwasser, das mit einem stark kalkangereicherten Meersalz aufgesalzt wurde, oder organisch-biogen, verursacht durch Bakterioplankton oder Phytoplankton. Beides ist in der Start- und Entwicklungsphase weder untypisch, noch in irgend einer Weise kritisch zu bewerten. Es gibt also wie schon bei der Beurteilung Deiner ersten Mikroalgenbeläge absolut keinen Grund zur Besorgnis.

Kalkfällungen durch ein übertrieben Kalk-angereichertes Meersalz werden sich in den ersten Tagen nach dem Beckenstart in der Regel an den Aquarienscheiben und dem Glasboden (v.a. im Technikbecken), sowie an Technikkomponenten wie den Strömungspumpen oder dem Heizstab abscheiden und hinterlassen dort eine feine grau-weiße Schicht. Mit sinkendem Calciumgehalt bzw. KH-Level nehmen die Fällungen mehr oder weniger schnell ab und Dein Abschäumer kann sehr feines Kalkmaterial auch im Schaum binden und aus dem Wasser entfernen. Chemische Kalkfällungen führen zunächst einmal nur dazu, dass der Calciumgehalt und/oder die Karbonathärte unter die Sollwert-Referenzbereiche (vergl. SEA-Z, Stichwort Kalkhaushalt) fallen können und Du schon jetzt gezielt nachdosieren musst. Ausgefällter Kalk ist aber keineswegs schädlich und es besteht kein Grund zur Sorge, dass sich das ausgefällte Material negativ auf Dein Riffaquarium auswirkt. Mit der Zeit findet oft auch eine Rücklösung ins Wasser statt, was aber mitunter einige Wochen dauern kann, v.a. durch einsetzende mikrobiologische Aktivität, die durch Säureausscheidung den niedergeschlagenen Kalk löst. Es ist allerdings ein Verlust, der unwirtschaftlich und ineffizient ist. Nicht nur für den Beckenneustart, sondern grundsätzlich auch im langfristigen Betrieb sollte ein Meersalz so konzipiert sein, dass es die für ozeanisches Meerwasser bei 35 psu Salinität natürlichen Werte für alle Hauptkompomenten aufweist, also auch für die Kalkhaushalt-Elemente: Calcium, Magnesium, Strontium und die Alkalinität. Es macht keinen Sinn, wenn Du ein hoch mit Kalk angereichertes Meersalz kaufst und der vermeintliche Mehrwert, den Du auch entsprechend bezahlst, fällt innerhalb weniger Tage chemisch aus und erzeugt schon kurz nach dem Beckenstart eine Disbalance im Kalkhaushalt. Mit einem sinnvoll konzipierten und gut gemischten Meersalz von hoher Qualität passiert das so gut wie nicht, allenfalls in nur geringem und qualitativ nicht wirkungsvollem Maße.

Biologisch etwas umfangreicher in der Erklärung sind organisch-biogene Wassertrübungen, die v.a. durch Bakterioplankton verursacht werden, also durch frei im Wasser lebende Bakterien, die sich nicht auf festen Substraten niederlassen, sondern zeitlebens ihr Dasein im Freiwasser verbringen (Plankton). Auch Phytoplankton, also im Freiwasser lebende Mikroalgen, können in der Startphase auftreten, gerne v.a. bei Lebendgestein mit anfänglich hoher organischer Belastung. Erst einmal besteht aber kein Grund zur Beunruhigung. Während des Beckenstarts, wenn noch wenige Organismen den Weg in das neue Aquarium gefunden haben, herrscht so gut wie kein ökologischer Konkurrenzdruck. Es steht viel Platz zur Verfügung und jeder Organismus, v.a. die Pionierarten wie Cyanobakterien und Kieselalgen, aber auch einige planktonische Bakterien oder Mikrogrünalgen, versuchen sich naturgemäß mit starkem Wachstum im Ökosystem zu behaupten, so lange es eben geht. Solche ökologischen Pioniere kalkulieren damit, dass sie sich in einer labilen Situation massenhaft fortpflanzen und verbreiten können. Eine solche Massenvermehrung ist jedoch nicht unendlich, denn mit abnehmender Verfügbarkeit von Ressourcen und gleichzeitig zunehmender Konkurrenz durch andere Lebewesen wird ihr Kompetitivitäts-Level schnell erreicht und überschritten. Andere Organismen mit einem längeren Atem, die zwar meist langsamer wachsen, dafür aber stärker und durchsetzungsfähiger sind, können solche Pioniere rasch verdrängen, weil ihr Überleben und Ihr Fortbestehen auf Kontinuität setzt, basierend auf einem stabilen Ökosystem, dass Du mit einer guten Aquarienplanung und dem zügigen Korallenbesatz auch etablierst. Nur labile Systeme, wie jetzt in den ersten Tagen und Wochen der Startphase, sind für Pionierorganismen geeignet, weil das generelle Kompetitivitätsniveau noch niedrig ist. Daher ist auch der frühzeitige Korallenbesatz so wichtig, um möglichst zügig ökologisch kompetitive Korallen und ihre natürlichen Begleitorganismen (Bakterien im Korallenschleim, Mikroben auf den Substratsteinen) einzubringen, die einen Verdrängungseffekt ausüben, sowohl durch eine Raumkonkurrenz, als auch eine Nährstoffkonkurrenz.

An dieser Stelle ist es sehr wichtig, dass Du dir über die ökologische Bedeutung der Pionierorganismen bewusst wirst. Auch wenn im ersten Moment eine Bakterioplanktonblüte kritisch ausschaut, oder auch ausgedehnte Mikroalgenbeläge auf der Gestaltung Deinem neuen Aquarium keinen schönen Anblick verleihen, ist es eine Nahrungsgrundlage für alle anderen Mikroben, die sich nun entwickeln und ihrerseits vermehren können. Jede Entwicklung setzt bestehende Ressourcen voraus, auf deren Basis dann mit der Zeit vielseitigere und hochwertigere Ressourcen entstehen können, die langfristig die Grundlage für ein ganzes Nahrungsnetz bilden.

Wenn sich also in der Startphase im Wasser eine leichte Bakterioplanktonblüte entwickelt, betrachte dies als den Beginn einer natürlichen Entwicklung, und nicht als grundsätzlich kritischen Zustand, den Du auf jeden Fall korrigieren musst. In der Regel sind solche Blüten nur kurzweilig und verschwinden nach einigen Tagen bis einer Woche von alleine, eben dann, wenn sich weitere Organismen etablieren, die einen Konkurrenzkampf auslösen und diesen nach und nach für sich entscheiden.

Allerdings neigen viele künstliche Dekorationsmaterialien, wenn diese ausschliesslich für die Riffgestaltung verwendet werden, dazu, schneller Bakterioplanktonblüten zu entwickeln, die sich mitunter rasant, sehr stark und damit auch kontraproduktiv für das Aquariumsystem entwickeln können. Daher empfehlen wir für solche Becken immer zum Beckenstart eine UV-Anlage anschlussbereit im Haus zu haben. Wer ganz sicher gehen möchte, lässt die UV-Anlage für die ersten 3-4 Wochen dauerhaft mit laufen. Informationen dazu stehen auch in den SEA-Z zum Stichwort UV-C Entkeimung zur Verfügung.

Wenn Dein Wasser eine starke Bakterioplanktonblüte, oder bei hohem Nährstoffeintrag durch z.B. belastetes Lebendgestein eine Phytoplanktonblüte (grünes oder braunes Wasser) entwickelt, die sehr dominant und hartnäckig bleibt und nicht von alleine verschwindet, solltest Du immer auf eine UV-Anlage zurück greifen, die ein guter Fachhändler oder ein Aquarienkollege für einige Zeit z.B. auch zum Verleih anbietet. Eine UV-Anlage wirkt bereits oft nach wenigen Tagen mit sichtbarem Erfolg und sollte dann für mind. 3-4 Wochen weiter laufen, damit sie nachhaltig wirken und die Blüte vollständig entfernen kann. Eine langanhaltende und hartnäckige Blüte kann den gesunden Start des Riffaquariums behindern und eine Konkurrenz zu den Korallen erzeugen. Sie ist dennoch kein Zeichen für eine grundsätzlich ungünstige Entwicklung, oder dafür, dass du etwas falsch gemacht hast. Gelegentlich kommen solche Zustände vor, die du aber mit einer UV Anlage im Bedarfsfall zuverlässig korrigieren kannst.

Wichtiger Hinweis für das SANGOKAI System: auf keinen Fall arbeitest Du im SANGOKAI System mit käuflichen Bakterien-Produkten, die industriell kultivierte Bakterienstämme dosieren, auch wenn diese im Handel sehr gerne zum Beckenstart gerade mit künstlichem Gestaltungsmaterial verkauft werden. Im SANGOKAI System arbeitest Du nur mit den Bakterien, die jede Koralle mit sich trägt und die beim Korallenerstbesatz automatisch mit einziehen. Diese Bakterien, die auch aus dem gleichen Biotop stammen wie Deine Korallen, werden dann im SANGOKAI System versorgt und können sich in einem natürlichen und gesunden Maße parallel zu den Korallen entwickeln. Es gilt im SANGOKAI System also grundsätzlich, auf künstliche/industriell kultivierte Bakterien vollständig zu verzichten, um für Deine Korallen möglichst optimale und konkurrenzfreie Bedingungen zu schaffen. Deine Korallen tragen alle Bakterien, die sie benötigen, mit sich, und diese versorgt Du mit dem SANGOKAI System.

Scheibenreinigung: wann ist sie sinnvoll und unter welchen Voraussetzungen auch nicht?

Jedes Aquarium siedelt mehr oder weniger schnell einen Biofilm aus Bakterien und v.a. auch Mikroalgen an, der sich sehr dynamisch und individuell entwickelt, aber in jedem Fall nach einigen Tagen dazu führt, dass Du nicht mehr gut ins Aquarium schauen kannst. Die Scheibenreinigung ist also eine aquaristische Routine, die keinem Aquarianer erspart bleibt, egal ob das Becken 100% gesund ist und entsprechend toll aussieht, oder es ein problembehaftetes Aquarium ist.

Eine frisch gereinigte Scheibe ist das perfekte Siedlungssubstrat, v.a. für genau die Organismen, die man durch die Scheibenreinigung vorher entfernt hat. Dabei kommt es darauf an, wie artenreich und wie stark gewachsen der Biofilm auf der Scheibe individuell ist. Je dicker und artenreicher ein Scheibenbiofilm ist, desto mehr schabt man mit dem Reiniger eine feste und in sich geschlossene Biofilmstruktur von der Scheibe ab, die sich wegen ihrer Gruppierung als verbundene Masse gar nicht sofort wieder ansiedeln kann. Es braucht über einige Tage eine Primäransiedlung und Neuformierung des Scheibenbiofilms, und so lange hat man als Pfleger des Aquariums Zeit, entspannt durch eine saubere Scheibe zu blicken.

Gerade im jungen Riffaquarium, aber durchaus auch zu einem späteren Zeitpunkt, kommt es gelegentlich vor, dass sich nur eine einzige, sehr dominante Bakterien- oder Mikroalgenart auf der Scheibe niederlässt und durch massiv schnelles Wachstum einen monotypischen Biofilm erzeugt (also einen Biofilm, der nur aus diesem einen Organismus besteht). Diesen Belag zu entfernen bedeutet zunächst nur, wieder frisches Siedlungssubstrat zu generieren, auf dem sich die kurzfristig ins Freiwasser gelösten Mikroorganismen zügig wieder ansiedeln können. Wenn Du in einer solchen Situation Deine Scheiben täglich reinigst, oft sogar schon nach einigen Stunden, weil der Belag erneut vollständig auf der Scheibe aufsitzt, schaffst Du ständig frischen Siedlungsraum und hältst die Art in einer optimalen Wachstumsphase, machst die Situation also nicht besser, sondern verstärkst das Problem mit jeder einzelnen Scheibenreinigung. Denn durch das ständige Scheibenreinigen entsteht kein ökologischer Konkurrenzdruck, über den wir weiter oben bereits beim Stichwort organisch-biogene Wassertrübung durch Bakterio-/Phytoplanktonblüten diskutiert haben.

Je länger Du in einem solchen Fall Deine Scheiben ungeputzt lässt, desto mehr verlangsamt sich über die folgenden Tage die Wachstums- und Vermehrungsrate im monotypischen Biofilm, v.a weil die Ressource Siedlungsraum immer kleiner wird. Eine dominate Mikroalgenart verliert durch verlangsamtes Wachstum aber schnell an Kompetitivität, so dass die Wahrscheinlichkeit steigt, dass sich schon bald ein neuer Organimus, z.B. ein Bakterium, oder eine konkurrierende Mikroalgenart in den bis jetzt bestehenden monotypischen Biofilm einnistet und sich selbst vermehrt.

Im gezeigten Fotobeispiel ist genau solch ein Zustand auf der Aquarienscheibe gezeigt, in dem sich ein Bakterium (weißlich) in einen bestehenden braunen Scheibenaufwuchs eingenistet hat und durch Wachstum nach Außen den braunen Belag verdrängt. Es ist also nur eine Frage der Zeit, in der Du geduldig bleiben musst, wann sich ein sehr dominanter Scheibenaufwuchs ökologisch durch Konkurrenzwachstum von alleine reguliert. Es empfiehlt sich, auch wenn es Dir sicherlich schwer fällt, für mindestens vier Tage, besser auch 5-7 Tage, die Aquarienscheiben gar nicht zu putzen. Wenn sich sichtbare Konkurrenzeffekte wie auf dem Foto zeigen, ist das ein guter Anhaltspunkt, dass die Maßnahme ihre Wirkung zeigt. Wenn Du noch etwas wartest, kannst Du Deine Scheiben putzen und wirst sehr wahrscheinlich weitaus langsamer eine neue Scheibenbesiedlung feststellen.

Die geschilderte Maßnahme ist nicht nur für die Startphase des Riffaquariums geeignet, sondern ist in jedem Becken zu jedem Zeitpunkt anwendbar, wenn es eine solche akute Situation erfährt. Manchmal hast Du es vielleicht auch mit einer so stark wachsenden und dominanten Art zu tun, dass sich auch der kurzfristige Einsatz einer UV-Anlage für 3-4 Wochen empfiehlt, was allerdings immer das Problem mit sich bringt, dass auch sehr positive und nützliche Mikroben im Wasser abgetötet werden, was insbesondere im SANGOKAI System als Nachteil betrachtet wird und den Einsatz einer UV-Anlage nur im wirklichen Not-/Bedarfsfall legitimiert. Im SANGOKAI System sei dir von einer dauerhaften Anwendung einer UV-Anlage generell abgeraten. Ökologisch sinnvoller und in der Regel ausreichend wirkungsvoll ist die geschilderte Vorgehensweise über eine kontrollierte Scheibenreinigung mit Reinigungspausen für mindestens 4 Tage bis hin zu einer Woche, die ungleich dem UV-Einsatz Artenreichtum erhält, und nicht zur Destruktion von fast allen Organismen führt, die in der Wassersäule leben und von der UV-C Strahlung abgetötet werden, wodurch das Gesamtsystem an Artenreichtum einbüßt.

Als generelle Empfehlung sei abschliessend gesagt, dass es durchaus sinnvoll ist, wenn Du Deine Aquarienscheiben gelegentlich für einen verlängerten Zeitraum bewusst zuwachsen lässt, was im Urlaubszeitraum automatisch der Fall ist. Es führt dazu, dass sich Scheibenbiofilme artenreicher entwickeln können, was bedeutet, dass es weniger Dominanzeffekte gibt, und die Reinigungsintervalle verlängern sich von alleine. Ständiges Scheibenputzen ist zwar nachvollziehbar und aus ästhetischer Sicht verständlich, ist aber ökologisch betrachtet eher nachteilig. Dein Aquarium freut sich also auch mit Dir, wenn Du für einige Tage in Urlaub fährst und einmal nichts an den Aquariumscheiben machst.